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Verständigung ist möglichDer Heilige Geist in ungewohnter Stellung(Erschienen in der Monatsschrift Die Christengemeinschaft 2000/6) Vater, Sohn und Geist -- das ist die geläufige Aufzählung der Trinität, wie wir sie gleichsam mit der Muttermilch einsaugen. In dieser Reihenfolge wird die Trinität theologisch aufgebaut, auf dieser Weise erscheint sie im Credo, so wird sie immer wieder im Kultus genannt. Sei es die Dreiheit Substanz -- Schaffen -- Erleuchtung, an der wir bildhaft die Trinität begreifen wollen, oder das obligate Denken -- Fühlen -- Wollen, immer steht der Sohn in der Mitte -- vermittelnd, verbindend, der Gleichgewichtspunkt zwischen den beiden anderen, das Herz des dreifaltigen Ganzen. Doch neben diesem kennen wir noch ein anderes Bild der Trinität: Der Vater als eine majestätische, allumfassende Gestalt im Hintergrund, der Sohn in seinem Schoß am Kreuz, und zwischen den beiden der Geist in der Gestalt einer weißen Taube. So begegnet uns die göttliche Dreieinigkeit auf unzähligen Gemälden über Jahrhunderte; ja es war sogar die Regel, daß die Trinität gerade so dargestellt wurde. Die gleiche Anordnung Vater -- Geist -- Sohn weisen auch viele Bilder der Jordantaufe auf und vereinzelt auch andere Szenen wie die Verkündigung an Maria, die Geburt Jesu, sogar die Grablegung. Immer handelt es sich dabei um entscheidende Augenblicke aus dem irdischen Leben Christi, in denen es darum geht, daß der unermeßliche göttliche Logos in einer physischen menschlichen Persönlichkeit leben soll. Der Vater erscheint als eine Hintergrundgestalt, die das dargestellte Geschehen trägt und lenkt; wir könnten ihn als den aus der Weltensubstanz hervorgehenden Willen bezeichnen. Zwischen dem Haupt des Vaters und dem Haupt Jesu schwebt dann die Taube, der vermittelnde Geist. Es muß nicht alles, was einmal gemalt wurde, auch geistig stimmig sein; die Geschichte der christlichen Kunst bietet genügend Beispiele dafür. Und die Theologie des Christus als der Mitte ist dermaßen einleuchtend und überzeugend, daß wir uns angesichts der anderen Trinitätsbilder doch fragen müssen, ob sie ihre geistige Berechtigung haben, also nicht nur einen ikonographischen Mißgriff darstellen, einen massenhaft begangenen Holzweg. Gibt es, so fragen wir, einen Bereich, wo der Vater als der aus der Substanz der Welt hervorgehende Wille und der Sohn als der im Innern der menschlichen Persönlichkeit lebende Logos erscheinen, aber ohne einen Vermittler -- den Geist -- eines segensreichen gemeinsamen Wirkens nicht fähig sind? Wir können diese Frage positiv beantworten, denn einen solchen Bereich, in dem die Trinität auf die beschriebene Weise erscheint, erleben wir täglich: unsere menschliche Sprache nämlich als das Hauptmittel unserer gegenseitigen Verständigung. * * * Jeder von uns trägt eine andere innere Welt in sich, das Reich seines Ich; jeder von uns erfühlt den göttlichen Sohn im Erleben des Christus in seinem Menscheninnern; der Logos lebt im Innern jeder einzelnen irdischen Persönlichkeit. Jeder von uns ist hier auf Erden ein Mensch für sich, von den anderen getrennt und unterschieden. Doch wir leben alle in einer Welt, eine Natur umgibt uns, wir sind aus einer Substanz gebildet. Es wäre naheliegend, daß dieses Eine, das uns allen gemeinsam ist, in der Fülle seiner Vielfältigkeit zur gegenseitigen Verständigung genutzt werden könnte. Aber nein, es wird nur ein einziger der möglichen Informationsträger als Substanz für unsere Verständigung ausgewählt: der Schall. Wir können zwar umeinander hüpfen und tanzen, um etwas auszudrücken; wir können einander anlachen, anzwinkern oder zuwinken, wir können einander betasten und beriechen; doch dies alles kann nur sehr begrenzt Verständnis hervorrufen: Wir können vor Freude hüpfen, um diese Freude mitzuteilen. Versuchen wir aber einmal, durch das Hüpfen zu erklären, warum wir uns freuen, oder hüpfen wir vor, was für Probleme wir gerade mit dem kauzigen Nachbarn haben! Selbst wenn unser Gegenüber das eine oder das andere begreifen würde, erleben wir daran deutlich die Vorteile der hörbaren Rede. Doch nicht alles, was hörbar ist, wird zur sprachlichen Kommunikation verwendet. Die Fülle der Geräusche und Töne der Welt wird ganz beiseite gelassen, nur einige wenige Laute werden ausgewählt, die in der Natur so gut wie nie vorkommen, aber etwas Reines und Elementares der Klangwelt darstellen. Nicht das Rascheln des Windes oder das Geplätscher des Regens, sondern ,,a``, ,,k``, ,,sch`` usw. finden als Bausteine unserer Sprache Verwendung. Das aus diesen Bausteinen Zusammengefügte wird wiederum gnadenlos gesiebt -- nur verhältnismäßig wenige Zusammensetzungen sind erlaubt: ein ,,lmu``, ,,ktsr`` oder ,,oughz`` werden ausgesondert, während ,,er``, ,,pfei`` und ,,stück`` als zulässige Silben in die dritte Auswahlrunde gelangen. Nun entstehen Wörter -- manch eine Silbe hat das Glück, gleich selbst als Wort anerkannt zu werden, manche muß sich mit anderen zusammentun. Die entstehenden Gebilde werden wieder strengstens geprüft: ,,Stunde``, ,,machen`` und ,,Artikel`` bestehen die Prüfung, ,,Schlatreu``, ,,pfümatt`` oder ,,Arkelti`` werden ausgesondert. Noch eine engere Auswahl wird auf der Ebene der Sätze getroffen. Die Satzlehre beschreibt genau, wo im Satz die Hauptwörter, wo die Tätigkeitswörter und wo das ganze übrige Kleingemüse zu stehen hat. Wir können dann zulässiger Weise sagen: ,,Er macht das Licht an``, während der Satz: ,,das an er Licht macht``, oder gar: ,,an er er an`` den Anforderungen nicht entspricht. Nun bleibt noch eine letzte Auswahlrunde zwischen dem, was zur Sprache gehört, und der übrigen, für die sprachliche Verständigung unbrauchbaren Welt, nämlich die Auswahl zwischen den Sätzen, die Sinn tragen, und denjenigen, die zwar grammatikalisch richtig, inhaltlich jedoch sinnlos sind. Hier kommen wir an die Grenze unseres bisherigen Verfahrens. Während wir nämlich die Laute unserer Sprache einfach aufzählen, die Silben- und Wortbildung beschreiben, ein Wörterbuch erstellen, die Satzlehre aufbauen können, kommt auf der letzten Ebene logisch Unbeschreibbares zum Vorschein. Wir können z. B. sagen: ,,Er macht das Licht an``, oder: ,,Er macht das Licht aus.`` Es läge dann aber auf der Hand, zu dem Satz ,,Er macht mich an`` den Pendantsatz ,,Er macht mich aus `` bilden zu können. Warum das nicht geht, ist aber aus dem Satz allein nicht ersichtlich. Wir haben richtig ein Satzobjekt gegen ein anderes getauscht, und der Satz wurde plötzlich sinnlos. Die einzige Möglichkeit, um dies zu erfassen, wäre, eine Liste aller sinvollen Sätze zu erstellen; diese wäre jedoch unendlich lang. Außerdem klingt der genannte Satz nur dann unsinnig, wenn er von einem menschlichen Wesen ausgesprochen wird -- würde eine Kerze in einer Fabel so sprechen, wäre der Satz völlig in Ordnung. Es wird also erst im Kontext, in dem ein Satz ausgesprochen wird, die Entscheidung gefällt, ob er sinvoll oder sinnlos ist. Wir sehen, daß hier eine Unterscheidung eintritt, die von der Welt her nicht beschrieben werden kann. Die Sprache ist zwar aus der Substanz der Welt aufgebaut, doch sie entreißt sich den Gesetzen der Welt. Sie ist in einer Sphäre angesiedelt, die hinter den Grenzen der uns verbindenden objektiven Welt liegt. * * * Daß die Sprache sich der Welt entzieht, obwohl sie von ihr getragen wird, ist nicht allzu überraschend. Die Sprache ist nämlich vor allem Ausdruck des menschlichen Innern, eine Offenbarung des im Irdisch-Persönlichen lebenden göttlichen Logos. Seinen Gesetzen, seinem Willen sollte sie sich beugen; sie sollte Naturgesetze brechen um der Vollständigkeit und Genauigkeit seiner Offenbarung willen. Doch schon wenige Beobachtungen unseres Sprachverhaltens lassen an dieser Annahme Zweifel aufkommen. ,,Es war umsonst``, sagt einer und will damit ausdrücken, daß seine Bemühung keine Früchte gebracht hat; ,,es war umsonst``, sagt ein anderer und meint damit, daß er etwas kostenlos bekommen hat. Zwei verschiedene Gedanken werden durch einen und denselben Satz in der Sprache wiedergegeben; es wird also in dem einen oder dem anderen Fall (oder eben in beiden) der auszudrückende Inhalt durch die Sprache reduziert oder gar verzerrt. Die Verzerrung erleben wir auch jedesmal, wo wir uns solcher Wörter bedienen, die von einem veralteten Stand der Gesellschaft und Technik abgeleitet sind, z. B. wenn wir ein Schreibutensil ,,Bleistift`` nennen, obwohl es längst kein Blei mehr enthält. Manchmal wiederum werden wir von der Sprache gezwungen, etwas auszusagen, das gar nicht zu unserem Gedanken- und Gefühlsinhalt gehört: Wir wollen z. B. nur das Kommen einer Person mitteilen, doch wir müssen dieser Mitteilung gleich eine Auskunft über das Geschlecht des Kommenden hinzufügen und entweder ,,er kommt`` oder ,,sie kommt`` sagen. Häufig müssen wir sogar Sachen ergänzen, die, im Unterschied zum Geschlecht einer Person, gar nicht aus den Tatsachen ersichtlich sind: Sehen wir z. B. ein Haus und empfinden dabei dessen Größe, müssen wir zu den Begriffen ,,Haus`` und ,,groß`` noch zwei inhaltsunabhängige Wörter stellen, um einen ordentlichen Satz zu bilden: ,,Das Haus ist groß.`` In mannigfaltiger Weise stimmt also das, was wir aussagen, nicht überein mit dem, was in unserem Innern lebt und sich ausdrücken möchte. Gewöhnlich merken wir es kaum; als kleine Kinder sind wir damit spürbar konfrontiert worden und haben uns manchmal zur Wehr gesetzt; doch mit der Zeit haben wir uns daran gewöhnt, ja unsere Gedanken und Gefühle haben begonnen, sich der von außen gegebenen Sprachstruktur anzupassen. Wir haben gelernt, Phrasen und Klischees in der Sprache zu gebrauchen und sie allmählich in unsere Seele übernommen. Nur wenn wir das Glück haben, eine fremde Sprache ordentlich erlernen zu müssen, gelingt es uns, mittels der neuen Strukturen die alten aufzulockern. Es ist also keineswegs der Gottessohn in uns, der in unserem Innern lebende schaffende Logos, der unser Sprechen bestimmen würde -- nein, dieser wird gepeinigt, verbogen, zerdrückt, wenn wir sprechen. Die Sprache ist von ihm unabhängig und läßt sich durch ihn nur sehr begrenzt beeinflussen. * * * Wir sind wieder bei dem Bild der Dreieinigkeit angelangt. Der Vater als der Träger der uns verbindenden Welt bietet der Sprache eine objektive Struktur, die die Verständigung zwischen den innerlich ganz verschiedenen Menschen ermöglicht; der Sohn als der in der irdischen Persönlichkeit wirkende Logos gießt in diese Struktur die spezifischen Gedanken- und Gefühlsinhalte hinein, die anderen Menschen zuteil werden sollen. Doch wir haben gesehen, daß die Struktur nicht vermag, dem aus dem Menscheninnern sprechenden Logos volle Stütze zu bieten; der Sinn des Gesprochenen löst sich von ihr ab. Da aber die Struktur die Objektivität der Sprache gewährleistet, wird mit jedem Schritt, um den der Sinn sich von der Struktur entfernt, die Sprache subjektiver, weniger allgemein verständlich. Sie zerfällt in Slangs, mit denen sich nur enge Gruppen innerlich ähnlich geprägter Menschen verständigen können. Andererseits wird das, was sich aus dem Menscheninnern aussprechen möchte, im Sprechen verzerrt, die Struktur der Sprache behauptet sich gegen den Sinn und wirkt so bis ins Innere des Sprechenden. Unsere Gedanken und Gefühle werden sprachbestimmt und infolgedessen phrasenhaft. Um in diesen beiden Bewegungen nicht unterzugehen, bedarf die Sprache einer dritten Kraft, eines Vermittlers zwischen der Struktur und dem Sinn. Wo das Objektive und das Subjektive der Sprache aneinanderstoßen, muß diese Kraft ansetzen; sie muß beginnen, den vollen und noch unverzerrten Ausdruck des Innern aufzunehmen und in der Struktur von Mensch zu Mensch zu tragen; sie muß anfangen, die Struktur aktiv zu ergreifen und dem Innern als eine Möglichkeit zur Bereicherung anzubieten. Der Sprechende, der solche vermittelnde Kraft in sich trägt, wird nicht mehr von der äußeren Sprachstruktur innerlich beherrscht, denn er durchdringt sie mit Bewußtsein; indem er sie erlebt, entdeckt er Neues in seinem Innern oder nimmt bewußt Neues in sein Inneres auf. Er vermag aber auch, der Sprachstruktur den Inhalt seines Innern einzuprägen, sie zu seinem Bild zu verändern, obwohl sie weiterhin objektiv und allgemein verständlich bleibt. So wirkt in der Sprache der Heilige Geist -- zwischen der aus der Vaterwelt sich erhebenden Sprachstruktur und dem aus dem Gottessohn im Menschen sich aussprechenden Inhalt -- wie eine weiße Taube, die in der Mitte zwischen der lenkenden Gestalt im Hintergrund und dem Gekreuzigten als Vermittlerin schwebt. |
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